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Belastungssteuerung im Trainingslager: Abwägen zwischen Spaß und Vernunft

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Jedes Frühjahr zieht es viel Hobbytriathleten in südliche Gefilde, um sich im Trainingslager in Form für die anstehende Wettkampfsaison zu bringen. In den ein bis zwei Wochen ist Triathlontraining unter Profibedingungen möglich. In den restlichen 50 Wochen des Jahres muss hingegen bei vielen Triathleten das Training in den Alltag mit Beruf und Familie integriert werden. Ein Spagat, bei dem ein Trainingslager schnell zum „Übertraining(s)lager“ wird. Christoph Fürleger von Hannes-Hawaii-Tours erklärt im Interview, wie in ihren Camps auf diese Problematik eingegangen wird.

tri2b.com: Wie gut vorbereitet kommen die Triathleten ins Trainingslager? Im Idealfall sollte ja ein Trainingslageraufenthalt über mehrere Wochen vorbereitet sein. 
Christoph Fürleger (C. F.): Oftmals ist es allerdings eine Adhoc-Entscheidung ins Trainingslager zu fliegen, da viele Triathleten ihren Urlaub aufgrund von Job und Familie nur kurzfristig planen können. Kommt dann noch ein strenger Winter hinzu, wie zuletzt, dann kommt es schon mal vor, dass die Athleten mit fast Null Radkilometer in den Beinen anreisen. Vor Ort in der Sonne angekommen schaut das dann so aus, dass auf einmal drei bis sechs Stunden Training am Tag möglich sind. Obwohl es zuvor vielleicht daheim nur um die fünf Stunden Wochenumfang waren. Mit der Gruppendynamik im Hintergrund wird dies dann zum Anfang auch noch ganz gut verkraftet. Unsere Aufgabe ist es dann, die Leute einzubremsen und zu erklären, dass trotz Sonnenschein und 25 Grad auch nur mal eine zweistündige Radtour als Tagespensum reicht. 

tri2b.com: Mit wie vielen Radkilometern in den Beinen sollte man den als Hobbyathlet anreisen? 
C.F.: Das ist immer ein schwierige Frage. 200 bis 400 Kilometer sollten es schon sein. Sonst besteht die Gefahr, schon nach dem ersten Belastungsblock ausgepowert zu sein. Hilfreich kann auch ein gutes allgemein athletisches Niveau sein. So bieten sich im Vorfeld beispielsweise ein Krafttraining für die Radmuskulatur wie Kniebeugen-Sets an, für ein gutes Ausdauerniveau bieten sich natürlich auch Skilanglauf oder Skitourengehen an. Es muss nicht unbedingt nur die Rolle oder der Ergometer sein. 

tri2b.com: Gelingt es Euch, die Athleten wirklich zu bremsen und bekommt Ihr auch mit, wie die Athleten das umfangreiche Training im Nachgang verdauen und wie erfolgreich sie die Saison bestreiten? 
C.F.: Leider gibt es in der zweiten Trainingslagerwoche bei dem einen oder anderen Athleten doch ernsthafte Ausfallerscheinungen. Zurück in der Heimat erkranken dann auch immer wieder Athleten, die sich im Trainingslager zu viel zugemutet haben. Wir bekommen schon mal mit, dass die größten Trainingslager-Heißsporne bei den Saisonhöhepunkten dann nicht ihre Topleistung abrufen können. Wobei, wenn ein Athlet jede Bergwertung im Trainingslager unbedingt gewinnen will, dann soll er das schon machen. Es geht ja nun mal auch um den Spaß. Wir prämieren deshalb in unseren Camps auch immer die „Harnstoff-Könige“.* 

tri2b.com: Welche konkreten Möglichkeit gibt es von Guide-Seite, damit sich die Athleten nicht aus Übermut in den Keller trainieren? 
C.F.: Wir nehmen schon mal die eine oder andere Person raus aus den Gruppen, da Athleten, die immer an der oberen Kante trainieren, in den Radgruppen auch ein Sicherheitsrisiko darstellen können. Wenn man am Limit fährt oder wegen Müdigkeit die Konzentration nachlässt, dann ist die Gefahr eines Sturzes in der Gruppe zu verursachen, ungleich größer. Außerdem sieht unser Rahmentrainingsplan in den ersten Tagen nur zwei bis vier Stunden Radtouren vor, die dann schrittweise Block für Block verlängert werden. Außerdem wird in unseren Camps nach einem 3 zu 1 bzw. 2 zu 1-Rhythmus trainiert. Nach drei Tagen umfangreicheren Trainings folgt ein Ruhetag, beziehungsweise nach zwei Tagen mit viel Training folgt ein Tag mit nur leichtem Training. Außerdem bieten wir in vielen Camps auch Harnstoff-Analysen an. Damit können die Teilnehmer ihren Belastungszustand kontrollieren und wir können auch entsprechende Empfehlungen zur weiteren Trainingsgestaltung aussprechen. 

tri2b.com: Trotz alledem ist es ja oftmals so, dass ein Trainingslager dann gut war, wenn möglichst viele Kilometer auf dem Tacho stehen. Da wird schon auch noch mal gerne der Abreisetag für einen „regenerativen“ 100er eingeplant. Wie verfahrt ihr da mit euren Gruppen? 
C.F.: Normalerweise fahren wir zum Ende des Trainingslagers am Donnerstag die sogenannte Königsetappe. Auf Mallorca ist das dann der Küstenklassiker. Am Tag drauf steht dann nur noch Regeneration in Form einer lockeren Kaffeefahrt über zwei Stunden auf dem Programm, um dann bei der Heimreise nicht vollausbelastet in Flugzeug zu steigen und auch noch krank zu werden. 

tri2b.com: Wie weit ist es verbreitet, dass die Trainingslagerteilnehmer zur Regenerationsunterstützung im Ernährungsbereich auf spezielle Substitutionspräparate zurückgreifen? 
C.F.: Da wird schon ziemlich viel verwendet. Viele Athleten schwören auf spezielle Regenerationsdrinks direkt nach dem Training. In vielen unserer Camps bieten wir auch Ernährungsvorträge an. Wenn die Athleten dahingehend sensibilisiert werden, dass die Ernährung einen entscheidenden Einfluss auf die Regeneration hat. Dann steigen auch die Chancen, dies in der Praxis entsprechend umzusetzen. 

tri2b.com: Der Trainingseffekt in Form eines höheren Leistungsniveaus stellt sich ja erst nach einer entsprechenden Entlastungsphase nach dem Trainingslager ein. Welche Empfehlung gebt Ihr da Euren Athleten mit auf den Weg? 
C.F.: Erst einmal gilt die Regel, dass im Trainingslager maximal das zwei- bis dreifache des Umfangs der Wochen vor dem Trainingslager realisiert werden kann. Trainiert jemand sonst fünf Stunden in der Woche, dann sind im Trainingslager 15 Stunden die Obergrenze. Für die ersten ein bis zwei Wochen nach dem Trainingslager sollte dann der Umfang auf 20-30 Prozent zurück geschraubt werden, damit der Körper auch die entsprechende Ruhe hat die Reize richtig zu verarbeiten. 

*Harnstoff ist ein Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels. Erhöhte Werte weisen u.a. auf zu hohe körperliche Belastungen hin. Der Harnstoffwert wird deshalb auch zur Diagnose bei Übertrainings-Symptomen herangezogen. (Quelle: netdoktor.de)

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