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Porträt Chris McCormack: „Leder stürzen, Welt-Triathlet werden“

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Chris McCormack will den König der Rother Rennstrecken, Lothar Leder, enthronen. Am späten Mittwochabend kam der Australier in Franken an. Im Gespräch mit Steve Handwerker kurz zuvor sparte "Macca" nicht mit kampflustigen Ansagen ...

Australiens derzeit beliebteste Waffe auf den langen Strecken, der frühere ITU Weltmeister Chris McCormack gehört zu den internationalen Stars an der Startlinie der Quelle Challenge in Roth. Trotz der anwesenden zwölf Ironman Champions gilt McCormacks Fokus am 6. Juli aber nur einem einzigen Mann im Feld, dem vierfachen Sieger und Herrscher dieses Rennens, Lothar Leder. Am späten Mittwochabend kam Chris McCormack in Roth an.

„ Ich wollte nicht in Korea irgendwelche Konkurrenten schlagen – ich will Lothar! Er ist zur Zeit der beste Triathlet der Welt. Wenn er überhaupt zu schlagen ist, traue ich mir das zu! Ich werde der erste nicht-deutsche Toptriathlet sein, der ihm ein echtes Rennen liefert“, tönt McCormack.

Fünf Prozent schneller als sonst
Lothar Leder, der unbestrittene König des fränkischen Kurses strebt derweil nach seinem vierten Sieg am Main-Donau-Kanal in Folge, dem fünften insgesamt. Während der Deutsche bestens vorbereitet zur Verteidigung seines Titels scheint, will McCormack das deutsche Kraftpaket also im eigenen Wohnzimmer entthronen. „Für das harte Kopf-an-Kopf-Rennen komme ich nach Deutschland, es wird ein harter und enger Wettkampf und Lothar wird sehr, sehr schwer zu schlagen sein. Um seinen Heimvorteil auszugleichen, muss ich noch fünf Prozent schneller sein als sonst.“

Leder kennt das Geheimnis, wie man auf den schnellen und doch tückischen Rother Strecken gewinnt, doch beunruhigt ist McCormack dadurch nicht: „ Ich habe auf dem Rother Kurs kaum trainiert, aber am Renntag werde ich ihn kennen! Dass Lothar im Gleichschritt mit Peter Reid die meisten Langstreckenerfolge für sich verbuchen kann und den Rother Kurs besser kennt als jeder Konkurrent in diesem Rennen, heißt noch gar nichts. Die Radstrecke ist und beliebt 180 Kilometer lang, der Marathon 42,195.“

Und weiter: „Ich kenne das Streckenprofil, habe mit Cameron Brown und anderen gesprochen, die hier schon am Start waren. Cam sagte, es sei schwerer gewesen, als er erwartet hatte. Also rechne ich damit, dass es schwerer wird, als ich es mir gerade vorstelle.“ McCormack reitet seit seinem Wechsel auf die klassische Distanz auf einer beeindruckenden Erfolgswelle. 26 Siege in Folge auf amerikanischem Boden konnte er irgendwann Mitte der letzten Saison für sich verbuchen, vier hintereinander bei der Escape from Alcatraz und einen beim Wildflower Half-Ironman.

“Roth ist keine Durchgangsstation“
Genauso stark sein Start in die laufende Saison – mit der Titelverteidigung beim Ironman Australia und dem Sieg beim Huatulco Half-Ironman in Acapulco, dann Zweiter beim Pucon International Half-Ironman und Dritter bei der Escape from Alcatraz in diesem Jahr. „Alcatraz war fünf Jahre lang mein Rennen. Zu behaupten, der Sieg dort wäre mir egal, wäre eine Lüge. Aber mein Ziel in diesem Jahr ist definitiv ein anderes. In Roth will ich meinen Marathon perfektionieren, denn im Oktober auf Hawaii will ich den Titel. Roth wird aber keine Durchgangsstation, ich werde dort die gleiche Entschlossenheit zeigen, mit der ich den ITU-Titel gewann.“

Am Donnerstagmorgen wird McCormack in Roth sein, tapert bereits seit dem vergangenen Wochenende für den Sonntag in zehn Tagen. Radsplit um 4:30 Stunden und einen Marathon deutlich unter 2:50, damit will Schnellsprecher McCormack König Leder absetzen. „In den letzten Jahren waren die Wetterbedingungen immer recht unterschiedlich und manchmal recht schwierig. Wenn Lothar meine Pace mitgehen kann und mich schlägt, ist er einfach der Beste“.

Wollte Marathonläufer werden
McCormacks läuferisches Selbstvertrauen hat gute Gründe: 20-jährig qualifizierte er sich für die Junioren-Weltmeisterschaften im Crosslauf, träumte von Olympia und wollte sogar Marathonläufer werden – auf den Spuren von Robert DeCastella und Steve Moneghetti. Von den Cross-Weltmeisterschaften der Elite einige Jahre später kehrte er allerdings mit der ernüchternden Erkenntnis zurück, wie schnell, wie überlegen die afrikanischen Läufer auf diesen Strecken sind.
Wenn Du in Australien lebst, lebst du wie in einer Seifenblase. Erst wenn du da mal raus kommst, siehst du was in der Welt abgeht. Ich bin total desillusioniert nach Hause zurückgekehrt, aufs College gegangen und habe dort ohne Drive in der Laufmannschaft mittrainiert.“

“Ich kann doch gar nicht reiten“
McCormacks Wechsel zum Triathlon kam fast zufällig, auf den Rat eines der Größten der damaligen Triathlonwelt: „Bei einem Strandlauf begegnete ich Greg Welch“, berichtet der Australier. „Der machte sich damals mit Siegen in Amerika einen großen Namen. Wir liefen zusammen den Strand runter und plauderten. Es war heiß, also sind wir zum Abschluss noch ins Wasser gegangen.“ Welch sah McCormack schwimmen und fragte ihn sofort, ob er denn schon mal an Triathlon gedacht habe.

„Ich hatte wohl keine Ahnung, was das für ein Sport sei und erwiderte ihm, ich könnte leider nicht reiten.“ Als Welch ihm sagte, es ginge um den ausdauernden Drei-, nicht den modernen Fünfkampf, besorgte sich Mc Cormack ein Rad, trat beim nächstbesten Triathlon der Gegend an und gewann die Juniorenwertung mit einer Laufzeit von 31 Minuten über die zehn Kilometer. Der Preis? Eine Reise in den Club Mediterranée. „Ich hatte noch nie vorher irgendetwas gewonnen“, erzählt McCormack.

Nicht viel später, empfahl sich McCormack bei den nationalen Meisterschaften Australiens für den Nachwuchskader: „Cool, dachte ich damals. Fahre durch die Gegend und mache Rennen und die zahlen für alles.“ Völlig infiziert, wollte Youngster McCormack zwei Jahre am College aussetzen – die Eltern spielten da aber nicht mit. „Also bin ich wieder ans College, habe meinen Abschluss gemacht und zwei Jahre (1994 und –95) mit Triathlon ausgesetzt. Welch gewann damals in Kona, Triathlon boomte in Australien, aber ich bekam davon nichts mit.“

“Ich wollte werden wie Brad Beven“
Mit dem Abschluss in der Tasche und einem Job bei der Bank war es mit McCormacks Strebsamkeit vorbei. „Ich erzählte dem Boss, ich könnte leider nicht mehr kommen, wollte so werden wie Brad Beven. Er erwiderte, ich würde träumen und eine große Chance bei der Bank sausen lassen.“ Innerhalb eines Monats hatten Chris und seine Freundin die Sachen gepackt und flogen nach Europa, ins französische Gap. Weit weg von Australien, vergaßen ihn die Trainer und Funktionäre. Doch McCormack gewann zwei Weltcup-Rennen, der allmächtige Les McDonald persönlich verhalf ihm nach dem Sieg in Paris zur Wildcard für das Rennen in Canada. 19 Siege auf der Olympischen Distanz folgten.

Weltcup war kein Ziel mehr
Doch Chris McCormacks Blick ging immer wieder zu den Ironman-Rennen: „Siege im Weltcup interessieren doch niemand – ich wollte zum Ironman. Dort waren sie alle, Mark Allen, Peter Reid und Luc van Lierde. Ich bin oft gefragt worden, warum ich der Olympischen Distanz den Rücken gekehrt habe. Die Antwort ist einfach: Ich hatte dort keine Ziele mehr, fühlte keine Herausforderung.“ Nach seinen beiden Siegen beim Ironman Australien ruhen die Augen nun auf ihm – er will den Sieg auf Big Island.

Ernährungsfehler ausgemerzt
Letztes Jahr nach dem DNF in Kona sagten mir die Leute, ich hätte auf dem Bike überzockt. Ich hatte aber einen der leichtesten Ritte, die ich je erlebt habe. Als ich Dave Scott erzählte, ich hätte nur die Gatorade-Flaschen der Streckenverpflegung und ein paar Clif Shots zu mir genommen, wollte er mir nicht glauben. Nicht lange danach war ich in einem trainingsphysiologischen Zentrum in Sacramento und dort habe ich eine Menge über richtige Ernährung gelernt. Es war gut für mich zu hören, dass meine Aufgabe in Kona kein konditionelles, sondern ein Ernährungsproblem war.“

Ich bin kein Radspezialist
„Heute gibt es keine Kopf-an-Kopf-Rennen mehr wie damals zwischen Mark Allen und Dave Scott. Die waren deshalb so verdammt schnell. Heute ruhen sich die Leute auf dem Rad aus, haben keinen Mut auszuprobieren, ob sie die Konkurrenten platzen lassen können. Aber ich werde sie zu solchen Rennen zwingen“ sagt McCormack völlig unbeirrbar. „Alle denken, ich wäre ein Radspezialist, sie haben keine Ahnung. Ich kann laufen. Wenn sie mein Tempodiktat in Kona erleben werden und wissen, dass ich in Roth eine 2:45 gelaufen bin, werden sie mir folgen müssen. Nichts wäre mir lieber als der harte Zweikampf mit Tim DeBoom. Wenn er mich dann besiegt, OK. C’est la vie!“

«Gegen Lothar habe ich bestimmt hundert Rennen bestritten, seine Stärken und Schwächen kenne ich genau. Was er kann, kann ich ebenfalls. Ich kann ihn im Schwimmen schlagen, kann ihn auf dem Rad stehen lassen – da wird er mich nicht abschütteln. Im Marathon ist er allerdings viel stärker, ich habe ja erst wenige in den Beinen. Aber immer dran denken: Ich wollte mal Marathonläufer werden!“

Ich möchte der nächste Welt-Triathlet werden
Während die nächsten Ziele des Australiers in Roth und Hawaii klar gesteckt sind, hat er bereits eine Vision davon entwickelt, was er in diesem Sport verkörpern möchte: „Seit Mark Allen gab es keinen Welt-Triathleten mehr. Vielleicht ist Jürgen Zäck da am nächsten dran. Ich verbringe sieben Wochen im Jahr in der Schweiz – keiner spricht dort in der gleichen Weise von Tim DeBoom. Ich möchte überall Rennen bestreiten, Europa, Australien, Amerika. Und Hawaii gewinnen.“

Nach Roth will McCormack bei einem Weltcup-Rennen in Kanada starten, wird mit ein paar Freunden einige Etappen bei der Tour de France anschauen und dann in Australien heiraten. Dann kommt Hawaii.

In zehn Tagen aber warten Hunderttausende von Fans an den Rother Strecken auf den großen Zweikampf zwischen dem König von Roth Lothar Leder und seinem selbstbewussten Herausforderer Chris McCormack.

Übersetzung aus dem Amerikanischen: Jens Richter
Zaehler

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