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Die Bürde des Titelverteidigers

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Am 21. Oktober wird Faris Al-Sultan der große Gejagte sein. Als Titelverteidiger steht der Münchner schon vor dem Start mehr im Rampenlicht als seine zahlreichen Jäger. Wie groß sind die Chancen für einen weiteren Sieg ...

Wer gewinnt Hawaii? Diese Frage geistert momentan durch die Köpfe der Triathloninteressierten und ist Gesprächsstoff Nummer eins im Vereinstraining oder an der Ladentheke des örtlichen Radhändlers. Beim Nachhaken wird klar, dass diese offene Frage wesentlich enger gefasst ist. Eigentlich will man wissen, oder zumindest Hinweise finden, ob Faris Al-Sultan seinen Titel verteidigen kann und wer ihm dabei das Leben am 21. Oktober besonders schwer machen könnte.

Und diese Frage ist nur schwer zu beantworten. Ähnlich schwer wie vorherzusagen, wer Fußballweltmeister oder Tour-Sieger wird. Viele haben vorher auf die brasilianischen Ballzauberer gesetzt und Jan Ullrich als Triumphator in Paris gesehen. Wie wir wissen, ist alles ganz anders gekommen.

Was spricht für Al-Sultan?
„Er weiß wie es geht“, sagt Jan Sibbersen, der in Kona als Berater des ZDF vor Ort ist. Und nicht nur dies. Der Münchner kommt mit den Bedingungen auf Big Island sehr gut zurecht. Seit seinem Debüt im Jahre 1999 als Agegrouper hat er sich bei jedem Start gesteigert, bis zum großen Triumph im Vorjahr. In den letzten drei Jahren hat er die Konkurrenz immer mit der gleichen Taktik überrascht, dass Rennen von der Spitze aus schnell gemacht und die Konkurrenz zum reagieren gezwungen.

Das wird auch diesmal die Chance für den 28-Jährigen sein. Beim Schwimmen ein Loch zu den Iron-Schach-Spielern Chris McCormack und Cameron Brown zu reißen und dann auf den 180 Kilometern zwischen Kona, Hawi und zurück einen komfortablen Vorsprung herausfahren. Al-Sultans Bestzeit auf den 42,2 Laufkilometern entlang des Alii Drive und den Queen Kaahumanu Highway steht bei 2:54:51 Stunden. McCormack legte im Vorjahr mit 2:49:10 Stunden die beste Laufzeit des Tages hin. Zuvor scheiterte der Australier allerdings mehrmals kläglich in der Hitze Konas. Konstanter ist da schon die Serie von Brown, der in den letzten Jahren regelmäßig Top-Five Platzierungen ablieferte und seine Kräfte auf dem Rad meist taktisch geschickt schont. Beide, McCormack und Brown, können durch ihre Laufstärke das Rennen zu ihren Gunsten entscheiden, wenn sie in aussichtsreicher Position vom Rad steigen.

Germans auf der Flucht?
Ähnlich wie Al-Sultan wird auch Normann Stadler wieder das Rennen angehen. Der Norminator hatte schon im Sommer in Frankfurt eine ausgezeichnete Radform, als er fast unbemerkt und trotz der Stürze einen neuen Radrekord aufstellte. Unter normalen Umständen dürfte auch diesmal der Mannheimer schnell zum Angriff blasen und an die Spitze vorfahren. Eine Konstellation von der auch Al-Sultan profitieren könnte.

Wind und sonstige Unwägbarkeiten
Und dann wären da noch die gerne herangezogenen klimatischen Besonderheiten des IRONMAN Hawaii. In der Vergangenheit wurde das Rennen von den Windbedingungen her Jahr für Jahr als noch schwieriger eingestuft. Bis es im letzten Jahr wieder Rekordwetter gab und Torbjorn Sindballe einen neuen Radrekord aufstellte. Normalerweise profitieren von den unbarmherzigen Mumuku-Winden die guten Radfahrer wie Stadler oder Sindballe. Umso mehr, wenn die Verfolger auch wirklich im Wind fahren müssen. Und da hatten zumindest in früheren Jahren gerade die nordamerikanischen Athleten von ihrem Heimspiel profitiert, will heißen, dass die Kampfrichter dort oft beide Augen zudrückten und das Pack der Pros fast Rad an Rad die zweite Wechselzone erreichte. Schlechte Karten für Athleten, die von der Spitze aus gewinnen wollen.

Das Gesetz der Serie
Außer den Nordamerikanern Dave Scott, Mark Allen, Tim DeBoom und Peter Reid konnte noch kein Hawaii-Sieger seinen Titel erfolgreich verteidigen. Greg Welch wurde 1995 guter Vierter, Luc Van Lierde sagte 1997 im Vorfeld verletzungsbedingt ab. Im Jahr 2000 reiste der belgische Titelverteidiger unter dubiosen Umständen kurz vor dem Start wieder aus Kona ab. Thomas Hellriegel wurde 1998 nur Achter, lag allerdings nach dem Radfahren noch gleichauf mit dem späteren Sieger Peter Reid. Und der sprichwörtlich geplatzte Traum der geplanten Titelverteidigung von Normann Stadler ist uns noch in bester Erinnerung. Vielschichtige Gründe, warum es nicht mit dem erneuten Sieg in Kona wurde. Allen gleich war aber bestimmt die Tatsache, dass sie den Druck auf ihren Schultern spüren. Als „Defending Champion“ sind die Kameras auf einen gerichtet. Jeder Tritt und jede Geste wird interpretiert. „Bei allen musst du jetzt Männchen machen“, schildert Al-Sultan die neue, ungewohnte Situation.

Noch sind es zwei Wochen bis zum Raceday und die Iron-Week steht erst noch bevor. Am Pier von Kailua-Kona werden dann Tag für Tag neue Favoriten ausgemacht, Gerüchte in Umlauf gesetzt oder den heimlichen eigenen Siegwünschen freien Lauf gelassen. Mögichkeiten gibt es je nach Fanlager viele. Marino Vanhoenacker siegte in Florida und Klagenfurt, Ain Alar Juhanson in Neuseeland und auf Lanzarote. Nach der Absage von Tim DeBoom sind Micheal Lovato, Chris Lieto und Cameron Widoff die aussichtsreichsten US-Boys. Oder der Belgier Rutger Beke, der seit 2003 immer in den Top Five finishte. Bei aller Ungewissheit ist eines klar: Faris Al-Sultan geht mit der Startnummer 1 ins Rennen und hat sich mit seinem Sieg 2005 schon einen Lebenstraum erfüllt, den ihm keiner mehr nehmen kann. Auch nicht am 21. Oktober 2006.

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