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Immunsystem im Ausdauersport: Keine Leistung ohne den Alleskönner

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Nicht gut drauf? Der Tag stressig gewesen? Um 5:00 Uhr aufgestanden, schon im Dunkeln gelaufen, tagsüber dem Job hinterher gehechtet, am Abend spät noch geschwommen? In der Nacht dann schlecht geschlafen und am nächsten Morgen wieder morgens in aller Frühe raus. Haben Sie oft nur die Wahl zwischen einem schlechten Gewissen, weil Sie zu wenig trainiert haben, oder den Tag so voll zu packen, dass Sie fürchten fürchtest zusammenzuklappen? Und tauchen dann wieder die bekannten Probleme auf: Erkältungen, die manchmal zur Grippe ausarten, Schmerzen in der Leiste, im Rücken, von denen keiner weiß, woher sie kommen. Schmerzen im Knie, auch keine Diagnose. Und dann zum guten Schluss geht im Training nichts voran. Und die Motivation saust auch noch in den Keller?

Ein Horrorszenario? Übertrieben? Vielleicht: Aber sich als Triathlet am Rande der Leistungsgrenze immer wohl zu fühlen, ist ziemlich trickreich, das heißt, es ist immer eine Gratwanderung, auf der Sie leicht das Gleichgewicht verlieren können. Ein Tritt ins Leere und der Absturz folgt. Kalorien zu zählen, diese möglichst optimal nach Kohlenhydraten, Eiweiß und Fetten aufzuteilen und zum richtigen Zeitpunkt zu sich zu nehmen, ist eine Sache, Energieverteilung eine andere. 

Die Regulation entscheidet über den Erfolg 
Die Zuteilung der Energie, die in Stoffwechselprozessen entsteht, wird nämlich nicht durch die Kalorienzufuhr geregelt, sondern durch eine Vielzahl von Regulationsprozessen. Das Zauberwort heißt also Regulation. Wenn die Leistungsgrenze ständig provoziert wird, in der Hoffnung sie zu verschieben, und der Körper trotzdem im Gleichgewicht bleiben soll, dann braucht man sehr gut trainierte Regulationssysteme. Eine schwierige Sache: den Körper und die Psyche nicht zu über- oder zu unterfordern, also zu trainieren und zu regenerieren im individuell angepassten Rhythmus. 

Triathlonsport ist allein schon durch den extremen Trainingsaufwand oft Stress pur und erfordert deshalb eine optimale biologische Stressantwort. Der Beste ist der, bei dem diese Stressantwort am besten optimiert ist. Dazu gehören ein Immun- und ein Nervensystem, sowie Hormone auf dem Höchststand der Leistungsfähigkeit. Eine perfekte Regulation bedeutet, jedes System funktioniert für sich optimal und die Kooperation zwischen ihnen ebenfalls. 

Immunsystem, Nervensystem und Hormone – das Supersystem 
Das Immunsystem ist nicht in erster Linie ein Abwehrsystem, sondern ein Regulationssystem. Zusammen mit Nervensystem und Hormonen (z. B. Cortisol, Adrenalin, Insulin) ist es das System, das die Stressantwort auslöst und kontrolliert. Das Immunsystem produziert Mediatoren wie Zytokine und Wachstumsfaktoren, die im Rahmen der Stressantwort und in Kooperation mit Nervensystem und Hormonen bestimmen, wohin Energie fließen soll, damit lebenswichtige Parameter konstant gehalten werden. Man bezeichnet diese drei auch als die Supersysteme der Regulation. Sie garantieren, dass sich Herz, Kreislauf und Atmung an die Erfordernisse anpassen, dass Energiedepots aktiviert werden, der Glukosespiegel im Blut nicht abfällt, die Körpertemperatur annährend konstant bleibt, dass die Muskeln Energie für ihre Arbeit erhalten und trotzdem alle lebenswichtigen Organe wie das Gehirn ausreichend mit Energie versorgt werden. 

Das Immunsystem wird innerhalb der ersten Minute der Stresseinwirkung aktiviert. Es setzt eine Vielzahl an Zytokinen wie Interleukin-1, Interleukin-6 und Tumor-Nekrose-Faktor frei, die die Energieverteilung im Körper dem Bedarf entsprechend anpassen. Wenn nun Energie für Heilungsprozesse benötigt wird, die immer erste Priorität im Rahmen der Energieverteilung genießen, dann fehlt diese Energie für andere Prozesse. Deshalb ziehen bei entsprechend großer körperlicher Belastung schon leichte gesundheitliche Beeinträchtigungen soviel Energie ab, dass man sich müde und schlapp fühlt. 

Ein Teufelskreis: Geschwächtes Immunsystem und Verletzungsanfälligkeit 
Grundsätzlich gilt, dass körperliche Aktivität, das heißt Sport in angemessener Intensität an die individuellen Bedürfnisse angepasst, das Immunsystem aktiviert und somit Krankheiten vorbeugt. Als Triathlet gehören Sie aber zu den Sportlern, die unter extremer Belastung stehen und deshalb häufig eine zu geringe Aktivität des Immunsystems aufweisen. Man erklärt sich das in etwa so: Ausdauertraining ist immer mit vielen kleinsten Verletzungen in der Muskulatur und anderen Geweben verbunden. Diese Muskelfaserrisse lösen Entzündungsreaktionen aus, die dem Heilungsprozess vorangehen. Entzündungs- und Heilungsprozesse sind die Domäne des Immunsystems. Wenn die Regenerationszeit zudem für das Immunsystem nicht ausreicht, um die katabole Stoffwechsellage, in der die Abbauprozess überwiegen, auszugleichen und im Anschluss, die Mikroverletzungen zu kurieren, dann kommt es zu einer Schwächung des Immunsystems mit den bekannten Folgen wie Verletzungsanfälligkeit, Schmerzsymptomen ohne fassbare Ursache, verzögerten Heilungsprozessen oder erhöhter Infektanfälligkeit. Wie Parasiten ziehen Verletzungen und Infektionen, die Energie für sich ab. Das kann bei Leistungssportlern soweit gehen, dass der Zustand des Immunsystems dem von Tumorpatienten ähnelt. 

Es kann ein Teufelskreis entstehen, in dem sich das Immunsystem kaputt reguliert und sich ein Übertrainingssyndrom, ein chronisches Müdigkeitssyndrom oder eine Virusinfektion wie Pfeiffersches Drüsenfieber entwickeln können. Die richtige Balance zwischen Trainings- und Wettkampfbelastung sowie Regeneration zu finden, ist ein Kunststück, das im Training erarbeitet werden muss. Als Abwehrsystem ist das Immunsystem eigentlich immer gefordert, denn Viren und Bakterien begleiten uns immer und überall auf das Intimste. Jede Schwächung durch Infekte macht sich, aus den bereits besprochenen Gründen der veränderten Energieregulation, unmittelbar in einer verminderten sportlichen Leistungsfähigkeit bemerkbar. Gleiches gilt für den Prozess der Wundheilung. 

Zytokine drosseln die Aktivität 
Stoffwechselregulation, Wundheilung und Infektabwehr sind nicht die einzigen Territorien des Immunsystems. Auch unser Verhalten wird vom Immunsystem beeinflusst. So nötigen uns die entzündlichen Zytokinen Interleukin-1, Tumor-Nekrose-Faktor und Interleukin-6, den Schongang einzulegen. Und wer könnte dieses Phänomen besser nachvollziehen als ein Sportler, der vergeblich versucht, seine beste Leistung abzurufen. Schon eine Verkühlung hindert einen an der Entfaltung des vollen Leistungspotenzials. Lustlosigkeit, Schlappheit, Schlafbedürfnis, Appetit- und Gewichtsverlust sind typische Symptome, die über eine Wirkung des Immunsystems (Zytokine) auf das zentrale Nervensystem ausgelöst werden. 

Zusammenfassung und Praxistipps 
Das Immunsystem ist vor allem ein Regulationssystem. Im Rahmen von Ausdauerleistungen und bei Stress beeinflusst es maßgeblich die Stoffwechselregulation und damit die Energieverteilung. In der Regenerationsphase koordiniert es Heilungsprozesse und ist an der Umstellung des Stoffwechsels auf Aufbauprozesse beteiligt. Gleichzeitig ist es immer als Abwehrsystem tätig. Bei Infektionen erfüllt es die ihm traditionell zugeordneten Aufgaben als Abwehrsystem. Als Entzündungs- und Heilungssystem liegt auch die Wundheilung in seiner Hand. 

Als Triathlet müssen Sie deshalb auf Zeichen achten, die eine Immunschwäche ankündigen. Sollten Sie folgendes beobachten, dann sind weitere Trainingsreize unwirksam und führen zu einer Verschlechterung der Symptomatik: eine für Sie verlängerte Regenerationszeit, ungewohnte Müdigkeit, Lippenherpes, schlechter Schlaf trotz Müdigkeit, schlechter Appetit trotz hohem Kalorienverbrauch, plötzlich ohne ersichtlichen Grund auftretende Schmerzen, schlecht heilende Wunden oder zunehmende Infekt- und Verletzungsanfälligkeit, um nur einige Hinweise auf ein geschwächtes Immunsystem zu nennen. Die große Kunst des Trainierens ist es letztlich, den eigenen Rhythmus zu finden, indem sich Belastung und Regeneration abwechseln müssen. 

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