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Nadine und Christian Reichert: Freiwasser-Schwimmer müssen einstecken können

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Im Open Water Schwimmen oder Freiwasserschwimmen geht es um mehr als nur lange zu schwimmen. Bei Distanzen ab 5 km ist neben der richtigen Renneinteilung auch Taktik und Durchsetzungsvermögen gefordert. Ein entscheidender Aspekt ist aber auch die Ernährung vor und besonders während der langen Strecken im Wasser. Spezialisten in dieser Disziplin sind die beiden deutschen Frei- und Langstreckenschwimmer Nadine und Christian Reichert. Das Schwimmerpaar aus Wiesbaden hat neben den Titeln der Deutschen Meister und Meisterin 2010 in den vergangenen Jahren einige Erfolge europaweit erschwommen. Aber auch in der Weltcupserie haben beide ein Wörtchen mitzureden. Nadine Reichert holte 2009 den 3.Platz bei der Weltcupgesamtwertung über 10km und das geht nur, wenn man auch regelmäßig auf dem Podium während der Saison steht. tri2b hat die beiden nach ihrer erfolgreichen und spannenden Wettkampfsaison interviewt.

tri2b.com: Herzlichen Glückwunsch zu Eueren persönlichen Erfolgen der vergangenen Saison im Freiwasserschwimmen. Wie seid Ihr beide denn zu dieser Spezialdisziplin des Schwimmens gekommen und was reizt Euch an diesen sehr langen Strecken? 

Christian Reichert (C.R.): Erst einmal vielen Dank! Angefangen haben wir beide als ganz normale Beckenschwimmer, und dort waren wir bis ins Jugendalter und z.T. auch heute noch sehr erfolgreich. Doch irgendwann war es Zeit sich zu spezialisieren, und ab einem gewissen Alter haben wir auch neue Reize und Herausforderungen gesucht. Meine Frau, Nadine ist über befreundete Schwimmer bereits mit 18 Jahren in die Freiwasserszene eingestiegen, und als wir uns wenig später kennen lernten, hat sie mich dafür auch begeistern auch. Seitdem genießen wir zusammen die Wettkämpfe, die oft an den schönsten Plätzen der Welt ausgetragen werden, so z.B. in Dubai, Südafrika oder Kanada. 

tri2b.com: Triathleten, so sagt mancher, können alles ein bisschen, sind aber in keiner der drei Disziplinen so richtige Spezialisten. Einige schwimmen zwar hervorragende Zeiten über die 3,8 km, können sich aber dennoch kaum vorstellen, weiter und länger mit diesem Tempo zu schwimmen. Wie motiviert ihr Euch für die Wettkämpfe über diese langen Distanzen? 

Nadine Reichert (N.R.): Wenn man, wie wir das ganze Jahr auf einen einzigen Wettkampfhöhepunkt hin trainiert (z.B. Welt- oder Europameisterschaften), dann hat man so viel Kraft und Zeit in dieses eine Ziel gesteckt, dass die Motivation am Wettkampftag fast überkocht. Schließlich will man den Anderen auch zeigen wofür man in den letzten Monaten so hart gearbeitet hat. 

tri2b.com: Zwei Stunden und länger im Wasser, vor allem bei Strecken von 25 km, das ist viel Zeit. Welche Gedanken macht man sich, während solch einer langen Zeit im Wasser? 

N.R.: Freiwasserrennen sind oft taktische Rennen, deshalb ist es wichtig immer konzentriert zu bleiben und das gesamte Teilnehmerfeld zu beobachten. Manchmal muss man das Tempo verschärfen, um einen Ausreißer wieder einzuholen, oder man muss die Position wechseln, um die Verpflegung besser anschwimmen zu können. Deshalb müssen wir während den zwei Stunden im Wasser immer wieder Entscheidungen treffen und unsere eigene Taktik variieren. 

tri2b.com:Viele Sportler lieben Triathlon besonders wegen seiner Abwechslung im Training und Wettkampf. Wie trainiert ihr für diese Distanzen, besonders die Strecken oberhalb der 5 km? Wird das manchmal nicht auch langweilig? 

C.R.:Freiwasserschwimmen und Triathlon sind beide sehr trainingsintensiv, doch im Gegensatz zum Triathlon konzentriert sich das Training auf eine einzige Disziplin. Natürlich wiederholen sich dabei viele Inhalte. Doch um es gar nicht erst langweilig werden zu lassen, versuchen wir möglichst vielseitig zu trainieren. Wir absolvieren elf Trainingseinheiten pro Woche im Wasser, dazu kommen 5-6 Einheiten an Land, z.B. Stabilisation, Krafttraining, Laufen oder Dehnung. Zuzüglich der Physiotherapie kommen wir schnell auf eine 30 Stunden-Woche, die wir alleine für das Training benötigen. 

tri2b.com: Freiwasserschwimmen, viele werden das nicht vermuten, ist auch Vollkontaktsport. Die Triathleten kennen das vom Start, bei euch fällt das aber während des gesamten Rennverlaufs auf. Wie behält man da die Ruhe? 

C.R.: Das Stimmt!!! Im Freiwasser geht es manchmal sehr hart zur Sache. Am Start besonders und auch an den Wendebojen. Im Triathlon zieht sich das Feld oft ein wenig auseinander, denn manche Athleten schwimmen besser, und Andere wiederum können besser Laufen oder Radfahren. Bei uns bleibt das Feld oft von Anfang bis Ende in einem großen Pack. In diesem Tumult die Ruhe zu bewahren ist nicht ganz einfach. Es erfordert viel Übung und Erfahrung. Man muss auf jeden Fall versuchen die passende Position für sich selbst zu finden, man darf sich natürlich auch nichts gefallen lassen und sich vor allem weder von Anderen ablenken oder beeindrucken lassen. Mir hat es geholfen, mich mit anderen Athleten auszutauschen, und nach dem Wettkampf mein eigenes und auch andere Rennen per Video oder Leinwand zur analysieren. 

tri2b.com: Oftmals sieht man, dass nach einer langen Strecke, wie den 25 km, noch immer zwei oder mehr Schwimmer gemeinsam das Ziel erreichen. Welche Taktik wählt man da, worauf kommt es an? Und gehört am Ende nicht auch etwas Glück dazu den Anschlag zu treffen? 

N.R.: Natürlich gehört, wie überall im Sport, auch im Freiwasserschwimmen ein Quäntchen Glück dazu. Noch wichtiger ist jedoch die richtige Taktik. So wie Radfahrer im Windschatten fahren, so versuchen wir Freiwasserschwimmer im Sog unseres Vordermanns zu schwimmen. Deshalb sind Positionen und Taktik so entscheidend. Oftmals versuchen wir kurz vor dem Ziel nochmal Kraft im Sog eines Anderen zu tanken, um dann kurz vor dem Finish doch noch zu überholen. Daher auch die vielen knappen Entscheidungen am Anschlag. Damit es dort keine Unstimmigkeiten gibt, wurden vor einigen Jahren elektronische Zeitmessung und Kameras im Zielbereich eingerichtet. 

tri2b.com: Im Wasser, während des Schwimmens, verliert der menschliche Organismus ebenso viel Flüssigkeit und auch wichtige Mineralstoffe. Wie lässt sich dieser Verlust denn zeitnah ausgleichen ohne dabei Leistungseinbussen in Kauf nehmen zu müssen? 

C.R.: Im Training müssen wir immer wieder darauf achten genug zu trinken, weil man den Durst im Wasser nicht so extrem spürt. Außerdem versuchen wir nach dem Training unsere Mineralstoffspeicher und eventuelle Defizite mit einer ausgewogenen Ernährung und gezielter Nahrungsergänzung, wie z.B. von Orthomol Sport sofort auszugleichen. Bei Wettkämpfen können wir uns natürlich keine Trinkflasche auf den Rücken binden. Es gibt natürlich auch eine Möglichkeit, dass wir uns während dem Wettkampf verpflegen können, doch wenn es sehr heiß ist und die Wasserqualität stimmt, dann trinken wir auch manchmal das Wasser in dem wir schwimmen. 

tri2b.com: Während eines längeren Wettkampfes ist es unter anderem wichtig die Kohlehydratspeicher nachzufüllen, um die Leistung zu erhalten. Wie sieht die Nahrungsaufnahme vor und während des Schwimmen bei Euch aus, wenn es mal länger als eine Stunde dauert? 

C.R.: Am Abend vor dem Wettkampf gib es natürlich einen riesigen Berg Nudeln, und Nadine geht am liebsten nochmal in ein gemütliches Café, um sich bei einem Latte Macchiato zu entspannen. Zudem versuchen wir in den letzten Stunden vor dem Wettkampf unsere Kohlenhydratspeicher bis zum Maximum zu füllen, in dem wir hochkonzentrierte Getränkepulver und Riegel zu uns nehmen. Während des Wettkampfes gibt es dann ausschließlich Kohlenhydratgetränke und Gels. 

tri2b.com: Jetzt ist das ja nicht ganz einfach während des Wettkampfes im Wasser Nahrung zu sich zu nehmen. Was und in welcher Form könnt Ihr denn unterwegs essen?

C.R.: Zum Kauen und Essen bleibt im Wasser einfach keine Zeit, deshalb sind Kohlenhydratgetränke und -gels die beste Lösung. Sie geben schnelle und konzentrierte Energie, aber als Leibspeise würde ich sie mit Sicherheit nicht bezeichnen. Eine Möglichkeit, dass wir uns während dem Wettkampf verpflegen können, ist der sogenannte Verpflegungsponton. Das ist ein langer Stab, an dem uns die Betreuer Getränke und Nahrung reichen können. Die Gels stecken wir uns manchmal bereits vor dem Wettkampf in den Anzug (z.B. am Rücken oder am Oberschenkel), um sie dann in einer passenden Sekunde zu uns nehmen. 

tri2b.com: Gibt es ein paar Tipps für Triathleten hinsichtlich der Vorbereitung auf das Schwimmen in einem Ironman? 

N.R.: Einige Wettkampfelemente lassen sich im Training super simulieren und üben. Ihr könnt z.B. „Wasserballkraul“ zur Verbesserung der Orientierung in das Training einbauen oder „Lokomotive“ schwimmen. „Lokomotive“ bedeutet, dass ihr circa zu viert möglichst eng hinter einander schwimmt. Die führende Person muss das Tempo hoch halten, und wird nach einigen Bahnen von seinem Hintermann abgelöst. Durch diese Übung könnt ihr nicht nur Rennverhalten simulieren, sondern spürt auch den extremen Einfluss des Soges im Wasser. 

C.R.: Vor dem Wettkampf solltet ihr, wenn möglich, die Wettkampfstrecke abschwimmen, um Orientierungspunkte am Horizont für die einzelnen Wendebojen und den Zielbereich, bzw. die Wechselzone zu suchen. Das erleichtert die Orientierung im Wettkampf und hilft euch Kraft und wichtige Sekunden einzusparen. 

tri2b.com: Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg besonders im Hinblick auf Olympia 2012.

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