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Olaf Sabatschus: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“

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Olaf Sabatschus, einer der erfolgreichsten deutschen Langdistanzathleten der Saison 2004, spricht im großen tri2b.com-Interview über die neue Profilizenz und die Hoffnung auf intensivere Dopingkontrollen im Triathlon ...

Olaf Sabatschus ist einer der erfolgreichsten deutschen Langdistanzathleten im Jahr 2004 – und doch stehen andere im Rampenlicht. Vor allem, da im deutschen Triathlon gegen Doping vorgegangen wird. Dabei hat auch Sabatschus einiges zur neuen Profilizenz, alten Kavaliersdelikten und vielleicht künftigem Leistungsvermögen mancher Athleten zu sagen.

tri2b.com: Wie ist es Ihnen persönlich gegangen, seit das Doping-Geständnis von Nina Kraft die Runde gemacht hat?
Olaf Sabatschus (O.S.): Mich hatte es umgehauen. Ich hätte nie gedacht, dass Nina dopen würde. Dann gab es natürlich viele Gespräche über das Thema mit Bekannten und anderen Athleten. Ich selbst bin im Zwiespalt: Auf der einen Seite ist es sehr traurig, dass so etwas passieren musste, auf der anderen Seite: vielleicht bekommen wir jetzt gute Kontrollen und einen fairen Wettbewerb.

tri2b.com: Wie hat Ihr Umfeld, wie haben Ihre Sponsoren reagiert?
O.S.: Für mich hat sich so kurzfristig nichts geändert. Bislang haben keine Sponsoren gesagt, sie würden nicht mehr in Triathlon investieren.

tri2b.com: Faris Al Sultan hat Angst davor, dass jetzt jeder Langstreckenathlet unter Generalverdacht steht. Teilen Sie diese Befürchtungen?
O.S.: Ja. Nachdem Nina, die ich persönlich gut kenne, aufgeflogen ist, muss ich sagen: Vertrauen ist gut, Kontrolle aber viel besser.

tri2b.com: Am vergangenen Mittwoch haben DTU, Athleten und Veranstalter Schritte bekannt gegeben, um Doping im deutschen Triathlon zu bekämpfen. Damit haben doch alle Verantwortlichen schnell reagiert, oder?
O.S.: Ich finde auch: Wir sind deutlich schneller als andere Sportarten in Aktion getreten. Das ist ein positives Zeichen.

tri2b.com: Dass Hawaii-Sieger Normann Stadler bei dieser ad hoc-Konferenz von seinem Vater vertreten wurde, ist für Sie nachvollziehbar?
O.S.: Ich wusste gar nicht, wer da alles eingeladen war. Ich wäre auch gerne dabei gewesen. Da ich nicht weiß, was Normann an Terminen hat, kann ich zu der Frage nichts Schlüssiges sagen, außer, dass ich an seiner Stelle hingegangen wäre. Das hätte natürlich vorausgesetzt, dass keine anderen wichtigen Termine angestanden hätten. Er ist ja sicherlich als Sieger in Hawaii ebenfalls getestet worden und somit ein guter Repräsentant für „saubere Leistung“ und sollte auch daran interessiert sein, dass die Konkurrenz ebenso fair kämpft.

tri2b.com: Was halten Sie von dieser Profilizenz, die ab dem 1. Januar 2005 eingeführt wird und von deren Gebühren die Dopingtests bezahlt werden sollen. In Frankreich gibt es bereits so ein Papier, das etwa 500 Euro kostet.
O.S.: Wenn es eben so teuer wird, dann müssen wir Athleten da durch. Vielleicht gibt es aber auch noch andere Möglichkeiten, Geld für die Tests zu akquirieren. Zum Beispiel mit der Idee von Andreas Niedrig, zehn Prozent der Preisgelder jeder Veranstaltung für die Dopingtests zu verwenden. Dann wäre zumindest bei den wichtigen Rennen schon mal das Argument der angeblich fehlenden Gelder entkräftet.

tri2b.com: Glauben Sie, dass diese Lizenz von 200 bis 300 Athleten gelöst wird, wie DTU-Präsident Klaus Müller-Ott vermutet?
O.S.: Tja, man muss realistisch nachrechnen, wie viele Leute jährlich in die Preisgeldränge kommen. Ich glaube, das sind weniger als 200 bis 300.

tri2b.com: Wenn es letztlich nur 50 oder 100 lizenzierte Athleten sind, dann kommt weniger Geld in die Anti-Dopingkasse. Was bedeutet das für Quantität und Qualität der Tests?
O.S.: Wir müssen dann andere Wege gehen. Es kann nicht angehen, dass kein Geld für Tests da sein soll. In anderen Sportarten wird man auch regelmäßig getestet, und kein Athlet muss dafür extra bezahlen.

tri2b.com: Wie viele Tests wären pro Jahr und Athlet angemessen, um eindeutig sagen zu können: dieser Sportler ist sauber?
O.S.: Ich bin kein Doping-Experte, aber ich denke, dass vielleicht sechs jährliche Trainingskontrollen stattfinden sollten und zusätzliche Tests bei allen wichtigen Rennen zum Standard gehören müssten.

tri2b.com: Lädt nicht der Verband die ganze Verantwortung auf die Sportler ab, die sich wiederum per Lizenz vom Dopingverdacht freikaufen können?
O.S.: Ein vollständiger Test, also mit EPO-Nachweis, soll etwa 300 Euro kosten. soweit ich informiert bin. Wenn die Lizenz 500 kosten würde, dann könnten ja davon höchstens zwei Kontrollen finanziert werden. Das halte ich für zu wenig. Bei den Ironman-Veranstaltungen wird ja an die DTU für Dopingtests Geld bezahlt – also wären dann vielleicht zwei zusätzliche Tests drin, je nachdem wie oft und gut ein Athlet startet. Also müssen noch vier Tests von der DTU finanziert werden, wenn man meine besagten sechs Trainingskontrollen anstreben würde. Ich könnte mir vorstellen, dass man eine Art Stiftung einrichtet, in die Privatleute und Sponsoren einzahlen, um die Tests zu finanzieren.

tri2b.com: Sie und Andreas Niedrig hatten vor drei Jahren versucht, eine Athleteninitiative der Langstreckler gegen Doping auf die Beine zu stellen. Warum hat das damals nicht geklappt? Lag es nur am finanziellen Obulus, den jeder dafür hätte aufbringen müssen?
O.S.: Die breite Zustimmung der Athleten hatte gefehlt. Jetzt kann man natürlich ins Grübeln kommen, warum. Vielleicht lag es ja wirklich auch nur an den finanziellen Ängsten. Aber bis dato galt unsere Szene ja als recht sauber.

tri2b.com: Lothar Leder hat gefordert, so eine Athleten-Vereinigung jetzt zu gründen. Woher kommt Ihrer Meinung nach dieser Sinneswandel?
O.S.: Ich denke, dass alle jetzt erkannt haben: Wir müssen Triathlon wieder als saubere Sportart darstellen, vor allem in den Medien. Sonst geht alles den Bach runter.

tri2b.com: Sind sie enttäuscht, dass Sie zu dieser Konferenz in Frankfurt nicht eingeladen worden sind? Schließlich hatten Sie ja einst versucht, Doping im Triathlon zu bekämpfen, waren sozusagen Vorreiter.
O.S.: Ich wäre schon gerne dabei gewesen. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die Veranstalter ausgesucht haben, sicherlich spielt aber die „Lobby“ immer auch eine Rolle. Und letztlich ist ja ganz in meinem Sinne eine strikte Vorgehensweise zumindest im Ansatz beschlossen worden. Also will ich mich nicht beklagen.

tri2b.com: Wie beurteilen Sie denn den Anti-Dopingkampf der DTU in der Vergangenheit?
O.S.: Der war nicht gerade ausreichend. Ich war beispielsweise 2000 im Langdistanzkader, den gab es meines Wissens nur für ein Jahr. Ich habe alle Formulare bezüglich Zustimmung zu Tests sowie Offenlegung ärztlicher Unterlagen an die DTU geschickt – bin aber in jenem Jahr kein einziges Mal getestet worden. Als Läufer im so genannten ST-Kader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (für Leute auf dem Sprung in A/B Kader) wurde ich öfter zum Pinkeln gebeten. Die Langstrecke war sowieso bislang immer das Stiefkind der DTU. Ich hoffe, dass sich das nun endlich ändert. Wir sind ja nicht gerade erfolglos.

tri2b.com: Irgendwie scheint sich die ganze Dopingdiskussion nur um Nina Kraft zu drehen. So, als ob es kein vorher geben würde. Ist dieser Fall nur ein Einzelschicksal oder nur der populäre Fall, der nötig war, um vermutlich jahrelang betriebenes Doping im Triathlon anzuprangern?
O.S.: Das ist schwer zu sagen. Wenn aber auf so wichtige Substanzen wie EPO nicht getestet wurde, weil angeblich kein Geld vorhanden war, dann könnte ich mir gut vorstellen, dass es noch mehr unentdeckte Sünder gibt.

tri2b.com: Bei der Tour de France 1998 hat die Welt erstmals erfahren, wie systematisch im Radsport mit EPO gedopt wird. Droht so ein Eklat auch im Triathlon?
O.S.: Ich denke, je mehr Geld im Spiel ist, desto dramatischer sieht es mit dem Doping aus. Bei uns ist insgesamt wenig zu holen, deshalb glaube ich, dass es nicht so schlimm ist wie im Radsport.

tri2b.com: Könnten nicht gerade die Athleten, die immer knapp am großen Geld vorbeischrammen, der Dopingversuchung unterliegen? So einer wie Sie, der zwar Weltklasse ist – aber bis ganz nach oben noch einen Schritt braucht.
O.S.: Stimmt, mich könnte man als Weltklasse 1b bezeichnen. Ich glaube aber nicht an Ihre Theorie. Denn in meiner Liga kommt man finanziell gerade so über die Runden. Bei meinem Sieg beim Ironman Brasilien beispielsweise, habe ich 8000 Dollar Preisgeld bekommen. Davon gehen Steuern ab, Reisekosten, Trainingslager, Spesen. Es wäre interessant, einmal zu erfahren wie teuer die verschiedenen Dopingsubstanzen sind: Ich schätze, die wenigsten so genannten Profi-Athleten könnten sich das leisten. Wenn ich nicht noch neben dem Sport andere Jobs hätte und meine Frau dazu verdienen würde, dann kämen wir nicht über die Runden.

tri2b.com: Wie geht die weltweite Athletenszene mit dem Thema Doping um? Wird geschwiegen? Welche Athleten fordern Maßnahmen?
O.S.: International scheint der Aufruhr wesentlich geringer. Die Schlagzeilen sind kleiner und die Betroffenheit ist nicht so universell zu spüren, wie bei uns. Schlimm ist, dass in einigen anderen Ländern, wie in den USA, Doping fast als Kavaliersdelikt angesehen wird. Da frage ich mich, wie weit es mit der Moral bestellt ist.

tri2b.com: Die DTU will nun mit ihren Vorstößen beim Weltverband ITU vorstellig werden. Welche Chancen räumen Sie so einer Initiative ein?
O.S.: Ich denke, dass wir im Moment recht gute Chancen haben, eine Verschärfung der Kontrollen auch bei der ITU zu erreichen. Schließlich möchte keiner, dass Triathlon derart in Misskredit gerät wie andere Sportarten.

tri2b.com: Die wichtigsten Langstreckenrennen, also die Ironman-Serie, regiert aber die World Triathlon Coporation. Glauben Sie, dass sich die Amerikaner von solchen deutschen Aktivitäten beeindrucken lassen?
O.S.: Die WTC hat ja in Hawaii testen lassen – wohl in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Triathlon-Verband. Dort wird ja meistens eine Art Probedurchlauf für kommende Regeländerungen bei allen Ironman-Rennen durchgeführt. Ich könnte mir also schon vorstellen, dass wir bei der WTC nicht auf Granit beißen mit der Forderung, bei sämtlichen Rennen auf Dopingtests zu bestehen. Oder sogar auf den Nachweis von Trainingskontrollen.

tri2b.com: Wie sehen Ihre persönlichen Erfahrungen mit Dopingtests bei Ironman-Rennen aus?
O.S.: Bislang leider sehr schlecht. Ich musste erst einmal eine Urinprobe abgeben – das war mal auf Hawaii, im Jahr 1993. Nach meinem diesjährigen Sieg in Brasilien sowie nach den beiden dritten Plätzen in Österreich und Kanada wurden gar keine Dopingkontrollen durchgeführt.

tri2b.com: Gibt es Länder, wo die „Dopingkultur“ besonders ausgeprägt ist?
O.S.: Bislang habe ich mich nicht so viel damit beschäftigt. Ich denke, wir sollten, da wir mehrere deutsche Fälle haben, erst einmal bei uns alles ins Reine bringen.

tri2b.com: Gesetzt den Fall, überall auf der Welt würden erfolgreiche Anti-Dopingkampagnen gestartet – würde dies zur Folge haben, dass plötzlich andere Athleten die Rennen gewinnen? Nämlich die, die „sauber“ sind?
O.S.: Ich bin gespannt, wer nächstes Jahr nicht mehr an seine bisherigen Leistungen anknüpfen kann.

tri2b.com: Wenn jetzt, wie am Mittwoch in Frankfurt diskutiert, Dopingproben bei deutschen Langstreckenrennen auch rückwirkend überprüft werden – könnten diese Tests Überraschungen mit sich bringen?
O.S.: Wie ich schon sagte: Ich hätte nie gedacht, dass Nina Kraft dopen würde. Daher gilt für mich ab sofort: Ich traue keinem mehr ohne Kontrollen. Vielleicht gibt es nämlich wirklich noch einige Überraschungen.

tri2b.com: Zurück zu Nina Kraft. Viele Athleten glauben nicht, dass sie nur kurzfristig EPO eingenommen hat, um in Hawaii zu gewinnen. Sie auch?
O.S.: Ich kenne sie ja schon länger und habe bislang immer geglaubt, sie wäre wegen ihres immensen Trainingsfleißes so gut. Sie sollte den rückwirkenden Dopingkontrollen zustimmen, dann wird sich das hoffentlich auch bewahrheiten.

tri2b.com: Auf ihrer Internetseite fleht Nina Kraft um Vergebung. Die DTU wird sie wohl für drei Jahre sperren. Halten Sie diese Strafe für gerechtfertigt?
O.S.: Ich finde eine dreijährige Sperre in Ordnung. Natürlich tut mir Nina sehr leid, aber ohne Abschreckung werden wir keine Dopingsünder los. Sie hat ja nicht unwissentlich etwas Harmloses eingenommen, sondern eines der wirksamsten und gefährlichsten Mittel. Und als Hawaii-Siegerin hat sie eine Vorbildfunktion. Das Strafmaß ist daher gerechtfertigt, übrigens auch für alle anderen Erwischten, wie den Belgier Rutger Beke. Die Strafen sollten aber international auf einem Niveau liegen.
Ich hoffe allerdings, dass alle Athleten, die Nina Kraft schlimme Sachen an den Kopf geworfen haben, über gewisse Äußerungen nachdenken. Sie hat den Fehler ihres Lebens gemacht, aber sie ist immer noch ein Mensch. Vielleicht kommt ja bei der rückwirkenden Kontrolle vom diesjährigen Ironman Frankfurt heraus, dass sie dort sauber war. Dann muss man sagen, dass sie eben noch nicht reif genug war, mit dem danach entstandenen Druck als Hawaii-Favoritin gelassen umzugehen. Ich denke nämlich, sie hätte dort auch ohne EPO gewonnen.

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