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Roth geht in die 20. Runde – ein Rückblick

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Die bayerischen Meisterschaften 1985 waren das Startsignal - am 4. Juli 2004 erlebt die Faszination Triathlon in Roth ihre 20. Auflage ...

Die Ausdauersportler Manuel Debus und Detlef Kühnel hätten es sich im Traum nicht einfallen lassen, was ihre Starts und die dazugehörigen Finishes 1982 und 1983 auf Hawaii in der Heimat bewegen würden. – Inzwischen geht die Faszination Triathlon in Roth in ihre 20. Runde, die Bayerischen Meisterschaften 1985 waren der erste Meilenstein auf dem Weg zur Triathlon-Hochburg

Als der auf viele erfolgreiche Experimente im Sport versierte Detlef Kühnel aus Roth (Reitsport, Tennis, Wasa-Lauf, Rallye Paris-Dakar) den zunächst etwas machomäßig anmutenden Triathlonsport auch in seiner Heimatstadt, beim unverzüglich von ihm organisierten Frankentriathlon 1984, ausprobieren wollte, war das noch keine Überraschung. Dass der damalige Angestellte einer bekannten Nürnberger Versicherung aber schon ein Jahr später die Bayerischen Meisterschaften nach Roth lenken konnte, kam dann doch etwas überraschend.

„Kühnel-Knüller“ öffnet Türen
Dass Kühnel damals schon an das Erscheinungsbild seiner Veranstaltung dachte, belegt die Verpflichtung des Werbefachmannes Herbert Walchshöfer, der sich seinerzeit unversehens auf der Plattform eines Brauerei-Doppeldeckers wiederfand, um den Zuschauern die damals noch weithin unbekannte Sportart Triathlon zu erklären. Allen Beteiligten, insbesondere aber den Triathlon-Funktionären, hat dieses Spektakel offenbar derart imponiert, dass folgerichtig schon ein Jahr später, 1986, die Deutschen Meisterschaften in Roth stattfanden.

Zu jenem Rennen gab es dann den ersten typischen Kühnel-Knüller, denn die Verpflichtung des US-amerianischen Stars Scott Tinley führte geradewegs zum dramatischen Duell mit dem damaligen Topstar der jungen deutschen Szene, dem smarten Dirk Aschmo-neit. Dass der Norddeutsche im Ziel knapp vorne blieb, war gut für die Medien und förderlich für das Zuschauerinteresse, das fortan stetig zunahm. Die ein Jahr darauf in Roth stattfindenden Europameisterschaften wurden dann die erste große Inszenierung mit akribischer Siegerehrung, Flaggenparade und Nationalhymnen. Das Sahnehäubchen: Wenige Stunden nach dem Rennen gab es – damals ein absolutes Novum – eine vierfarbige Zeitung zum Rennen mit allen Ergebnissen.

IRONMAN wurde auch zur europäischen Marke
Kein Wunder, dass mit dem gleichzeitigen Erfolg der IRONMAN-Marke und der Suche nach einem europäischen Ableger Roth fast zwangsläufig den Zuschlag bekam und 1988 der erste Wettbewerb unter dem Titel „Avia Ironman Europe“ in der fränkischen Kreisstadt durchgeführt wurde. Seither ist der Erfolg der Marke IRONMAN auf dem Kontinent unverrückbar mit dem Namen Roth verbunden, denn selbst die erste Expansion mit dem Wettbewerb auf Lanzarote wurde von Roth aus sublizensiert.

Erst später kamen Zürich und Klagenfurt und viel später weitere Ableger der Marke hinzu. Den Erfolg ihres Markenzeichens in Europa hatten die Amerikaner allerdings erst einmal der aufkommenden Triathlon-Hochburg Roth zu verdanken, die im Bereich Zuschauer, Starterfeld und Rekordzeiten bis heute nicht erreichte Maßstäbe setzte. Bis zu 2.700 Starter vor 100.000 Zuschauern und großem Medienauftrieb waren nahezu die Regel und übertrafen zumindest an Quantität die Mutterveranstaltung auf Hawaii um Längen.

Rother Rekordsammlung ist unübertroffen
Dass mit dem Titelsponsor Quelle 1991 und der Post 1993 zwei Erfolgsgaranten die Triathlonbühne betraten, beschleunigte die Entwicklung und vor allem die qualitativen Möglichkeiten beim Quelle Ironman Europa sichtbar: Alles, was Rang und Namen hatte, kam nach Roth. Hawaii-Sieger im Doppelpack, auch mal das komplette „Podest“, die deutschen Spitzenleute sowieso.

Und es purzelten die Rekorde, als Lothar Leder 1996 den Reigen mit dem ersten Rennen unter acht Stunden eröffnete. Bisher unübertroffen Luc van Lierde und seine bisher gültige Bestzeit von 7:50:27 aus dem Jahr 1997, bei dem im Sog des Siegers die Deutschen Leder, Zäck und Hellriegel ebenfalls unter acht Stunden blieben. Dass Frauen mit damals schier unglaublichen Fabelzeiten den Anfang der Rekordzeiten begründeten, ist fast schon ein wenig in Vergessenheit geraten und wurde bis heute auch nicht mehr wiederholt. Thea Sybesma 1991 in 8:55:29 Stunden und Paula Newby-Fraser 1994 mit 8:50:53 überraschten seinerzeit auf den schnellen Strecken von Roth.

Kein Platz für Langeweile
Dass Nicole Leder beim Quelle Challenge des Jahres 2003 mit einer Marathonzeit von unter drei Stunden (2:57:49) aufhorchen ließ oder Michael Prüfert 1997 mit 43:35 Minuten die immer noch gültige IRONMAN-Schwimmbestzeit aufstellte, gehörte in Roth fast schon zum Alltag.

Doch trotz vieler Rekorde bleibt in Roth auch heute noch Raum für Außergewöhnliches, das zeigt die jüngste Entwicklung in der Zeit nach IRONMAN. Beispielsweise der Doppelsieg des Ehepaares Lothar und Nicole Leder oder das Abschneiden von Heike und Harald Funk, mit den Plätzen zwei und neun beide unter den Top Ten des Jahres 2003. Auch das Jahrhundertduell zwischen Lothar Leder und Chris McCormack, dessen Fernsehbilder in den Tagen nach dem 6. Juli 2003 um die ganze Welt gingen und alleine in Deutschland über elf Millionen Zuschauer erreichten, passt perfekt in die große Geschichte von 20 Jahre Triathlon, die mit dem Ende der Ironman-Ära nicht langweiliger geworden ist.

Wohl überlegtes Kalkül
Als Detlef Kühnel im Frühjahr 2001 der World Triathlon Corporation die „rote Karte“ zeigte und der Ironman-Vertrag nicht mehr verlängert wurde, weil die Konditionen aus Rother Sicht unannehmbar wurden, mussten Insider-Kreise um die Triathlon-Zukunft des Klassikers dennoch nicht zittern: Die Sponsoren gaben der neuen Marke und dem neuen Konzept eine Chance, die Zuschauer und Sportler kamen aus alter Anhänglichkeit – oder aus Neugier. Wie kürzlich eine Diplomarbeit zum Thema Triathlon in Roth bestätigte, waren gerade einmal 21,2 Prozent davon überzeugt, dass der Wegfall der Marke Ironman schädlich sei. Genug Spielraum also für den Neuaufbau einer Marke, der in Wirklichkeit die Fortführung bewährter Tugenden bedeutet.

Routiniers gegen „Junge Wilde“
Nach dem reibungslosen Start des Quelle Challenge Roth 2002 und dem Sensationsrennen 2003 haben auch die Medien wieder Stoff und so wird dem Rennen in der alten und neuen Triathlon-Hochburg nach wie vor die alte Bestform bestätigt. Sogar die Amerikaner kümmern sich jetzt um das Rennen, das der Ironman-Marke Paroli bietet. Sie machten es Anfang 2003 zum „Best old Race“ (Inside Triathlon). Der neue Rennleiter Herbert Walchshöfer, Kühnels Weggefährte seit 20 Jahren, setzt auf das Konzept: Etablierte Tri-athleten gegen die „Jungen Wilden“.

Dabei spielen sicher auch finanzielle Erwägungen eine Rolle, denn die schier übermächtige Konkurrenz lockt im finanziellen Bereich, und dem Ruf des Geldes und dem Namen der Marke mit dem roten Punkt sind schon etliche Athleten gefolgt.

Roth, das „gallische Dorf“
Gute Ideen gegen viel Geld, könnte es also für die Rother heißen, und wenn Insider Roth als ein „gallisches Dorf“ bezeichnen und mit dem Begriff „unkaputtbar“ belegen, könnten sie Recht haben. Das allein ist es aber nicht, im zwanzigsten Jahr des Triathlon Roth. Denn das Konzept hat aus dem „Wimbledon des Triathlon“ mittlerweile eine Top-Sportveranstaltung mit Familiencharakter gemacht. So wird Herbert Walchshöfer nicht müde zu erzählen, dass das Unwechselbare seiner Veranstaltung eine Melange aus Leis-tung, Leidenschaft und Herzlichkeit sei.

Kraft der Marke
Jedenfalls scheint das Konzept zweier großer Triathlon-Veranstaltungen in Deutschland aufzugehen. Zwar setzt Frankfurt als Roth-Erbe im IRONMAN-Zirkus ganz auf seine Reputation als internationale Drehscheibe und Finanzzentrum und bescheinigt dem Klassiker in Roth regionale Bedeutung. Doch ist die Provinzveranstaltung in Franken längst wieder im Aufwind. Kenner sehen den Quelle Challenge Roth sogar da, wo Ironman 2001 aufgehört hat. Während Frankfurt bei den Teilnehmerzahlen 2003 Federn lassen musste, hat Roth gleichzeitig kräftig zugelegt.

Fachleute wollen nun wissen, wie der Markenwechsel funktioniert hat. Die Begründung will Herbert Walchshöfer in Kürze dem Marketing-Club Nürnberg liefern, der seinen Vortrag „Statt Palmenstrand nun Seenland – was Marken versprechen und bewirken“ ins Jahresprogramm 2004 aufnimmt. Darin werden die letzten 20 Jahre Triathlon in Roth sicher eine Rolle spielen.
Zaehler

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