Patrick Lange: Mit dem Ironman Frankfurt habe ich noch eine Rechnung offen

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 15.08.2024 um 17:31
Patrick Lange geht am Sonntag mit der Startnummer eins bei der Ironman European Championship in Frankfurt ins Rennen. Der zweimalige Ironman Hawaii-Sieger hatte sich nach seinem schmerzlichen Roth-DNF ins Höhentrainingscamp nach St. Moritz im Schweizer Oberengadin zurückgezogen, um sich in Ruhe auf den Start in der Mainmetropole vorzubereiten. Mit dem Rennen in Frankfurt hat der 37-Jährige noch eine Rechnung offen, wie er im tri2b.com-Interview verrät. Weitere Themen des Gesprächs waren u.a. die schwierige Situation beim letzten Frankfurt-Start 2019, die Zukunft des deutschen Langdistanz-Triathlons, die deutsche Olympiagoldmedaille in der Mixed-Relay und das Drama um die Wasserqualität der Seine. Außerdem tippt Patrick Lange auf eine deutsche Ironman-Weltmeisterin in Nizza.

tri2b.com: Bei deinem eigentlichen Sommer-Highlight, der Challenge Roth, musstest du ein äußerst schmerzliches DNF hinnehmen. Wie lange hat dich die Verletzung im Anschluss beeinträchtigt?
Patrick Lange (P.L.): So circa eine Woche habe ich dann doch rausnehmen müssen. Aber mehr aufgrund von Muskelverhärtungen. Der ganze Rücken war total steif. Und es hat sich natürlich auch mental nicht so gut angefühlt, wenn du bei einem deiner Lieblingsrennen auf so doofe Weise ausscheiden musst. Das hat mir sehr, sehr weh getan und ich hätte da gerne eine bessere Leistung gezeigt. Nach der Woche Pause konnte ich zum Glück relativ problemlos wieder ins Training einsteigen.

tri2b.com: War die Enttäuschung über das Ausscheiden das größere Problem?
P.L.: Ja, auf jeden Fall. Du trainierst Monate auf diesen einen Tag hin und dann musst du wegen einer so doofen Situation aufgeben. Wie gesagt, bei einem Rennen, was einem wirklich auch noch superwichtig ist, einem der Highlights der Saison. Das hat schon weh getan und ich habe echt ein paar Tage dran zu knabbern gehabt. Aber mittlerweile ist der volle Fokus auf Frankfurt gerückt und ich bin mir auch sicher, dass ich in den nächsten Jahren noch die ein oder andere Chance bekomme in Roth wieder an der Startlinie zu stehen.

tri2b.com: Das heißt also du planst über die Saison 2024 hinaus, auch wenn du im Herbst zum dritten Mal Ironman Weltmeister werden würdest?
P.L.: Es gibt aktuell überhaupt keine Gedanken an ein Karriereende. Ich finde es eher interessant, dass ich da drauf immer wieder angesprochen werde. Ich kann hier aufs Holz klopfen, da mein Körper aktuell gesund und fit ist. Das ist die Hauptvoraussetzung, damit es weiterhin Spaß macht. Ich kann mir gut vorstellen das Roth mein Abschiedsrennen wird, wenn es mal soweit ist.  Das ist so das Einzige, was ich zu meinem irgendwann kommenden Karriereende sagen kann, weil ich finde Roth stimmungstechnisch halt nach wie vor eines der geilsten Rennen. Und auf der deutschen Bühne abzutreten wäre ebenfalls cool.

tri2b.com: Wie stimmungsvoll ist der Ironman Frankfurt, wo du am Sonntag an der Startlinie stehst.
P.L: In Frankfurt ist es auf der Laufstrecke einfach mega. Dadurch, dass du vier Runden hast, gibt es nicht solch lange Abschnitte, wo auch mal gar keine Zuschauer stehen.  Und der Zieleinlauf am Römer ist absolut unvergleichlich. Allerdings gibt es in Frankfurt nichts, was an den Solarer Berg rankommt.

tri2b.com: Wie wichtig ist der Start in Frankfurt für dich sportlich?
P.L: Zwischen meinem letzten Start 2019 und heute ist echt viel passiert. 2019 war ein einschneidendes Erlebnis für mich. Damals konnte ich eben auch nicht so offen darüber reden oder ich wollte nicht so offen darüber reden, was eigentlich wirklich los war. Was damals hinter verschlossenen Türen ablief, mit meiner Mutter und ihrem Krebsleiden, die ja in Frankfurt zur selben Zeit behandelt worden ist. Das hat mich einfach völlig fertig gemacht. Ich bin vom Typ einfach ein Harmonie- bzw. Familienmensch. Von daher war es 2019 nicht möglich von mir sportliche Höchstleistungen abzuverlangen, weil ich eben vom Kopf tatsächlich eher am Sterbebett meiner Mutter war. Von daher habe ich mit dem Rennen definitiv auch noch eine Rechnung offen. Es ist eines der wenigen großen Rennen, bei dem ich noch nie gewinnen konnte. Meine beste Platzierung war ein dritter Platz 2018.

tri2b.com: Die Konkurrenz um Kristian Blummenfelt und Sam Long ist riesengroß und wird da was dagegen haben?
P.L.: Mit den über 80 Athleten wird es beim Schwimmen wahrscheinlich eine Roth 2.0 Schlägerei werden. Das wird ein Spaß, aber ich bin auf so eine Situation jetzt gut vorbereitet.

tri2b.com: In Roth hast du mit dem DNF auch die Chance verpasst, deinen eigenen Laufstreckenrekord anzugreifen. In Frankfurt steht die Marathonbestmarke bei 2:38:45 Stunden, aufgestellt vor zwei Jahren von Denis Chevrot. Was ist auf dem Kurs möglich?
P.L.: Die Herausforderung in Frankfurt sind die extrem vielen Wendepunkte, was es etwas hakelig macht. Außerdem können die zwei Brückenüberquerungen pro Runde den Rhythmus brechen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man schon schneller als 2:36 Stunden auf dieser Strecke laufen kann. Es kommt halt auch immer so ein bisschen darauf an, wie die Temperatur ist, weil da unten am Main kann auch mal ganz gut die Hitze stehen.

tri2b.com: Nach dem Karriereende von Jan Frodeno und Sebastian Kienle bist du der letzte der „Big Three“, die von 2014 bis 2019 für sechs deutsche Ironman Hawaii-Siege in Serie verantwortlich waren. Aktuell sind neben dir mit Paul Schuster und Leonard Arnold nur zwei weitere deutsche Pros für Kona qualifiziert.  Wie groß ist die Lücke, die aktuell entstanden ist?
P.L.: Ich würde da gar nicht so schwarzmalen. Wir haben mit Rico Bogen den amtierenden Ironman 70 3-Weltmeister. Wir haben einen Jan Stratmann, der jetzt auch in Roth gezeigt hat, dass auf der Langdistanz mit ihm zu rechnen ist. Und wir haben einige ganz junge Athleten, die ihren Weg gehen werden. Zum Beispiel einen Hannes Butters, der mit seiner Schwimm-Rad-Kombi schon jetzt absolute Weltklasse ist. Wahnsinn, was der Typ abreißen kann. Im Wasser schwimmt der ja 2 - 3 Minuten raus und am Rad ist er in Roth in der Staffel unter 4 Stunden gefahren.  Die Werte und das Talent sind da, er muss jetzt halt noch ein bisschen das Laufen lernen.

Klar gibt es jetzt nicht den sich aufdrängenden zukünftigen deutschen Hawaii-Sieger. Auf der anderen Seite war es auch bei mir so, dass dieser Erfolg relativ unerwartet kam. Diesen vorgezeichneten Weg zum Ironman WM-Titel gibt es eher selten. Ich bin mir eigentlich sicher, dass irgendwann die junge deutsche Generation plötzlich das Zepter auch wieder auf der Langdistanz übernimmt. Und außerdem werden in diesem Jahr die deutschen Frauen in die Bresche springen. In Nizza wird´s eine deutsche Siegerin geben.

tri2b.com: Wer ist da deine Favoritin?
P.L.: Laura Philipp. Für sie ist die Strecke wie gemacht. Ich würde ihr einen Sieg extrem wünschen. Ich kenne Laura noch von ganz früher, wo sie beim Rhein-Neckar Triathlon-Cup auf solchen technisch anspruchsvollen und bergigen Strecken immer sehr gut unterwegs war. Gleiches gilt für Anne Haug, der die Strecken in Nizza auch liegen sollten. Außerdem war es abartig, was Anne in Roth gezeigt hat. Einen Marathon in 2:38 Stunden, die zweitbeste Zeit aller Starter. Völliger Wahnsinn.

tri2b.com: Zurück zu dir und der finalen Ironman Frankfurt-Vorbereitung. Wie wirst du die Rückkehr aus der Höhe gestalten.
P.L.: Ich werde die Allgäu Triathlon-Variante wählen. Im Vorjahr bin ich dort drei Tage vor dem Rennen direkt aus St. Moritz angereist und habe von den Leistungswerten meine bis dato beste Mitteldistanz gemacht. Ansonsten habe ich die Zeit hier in St. Moritz sehr genossen, da ich mich wie ein Eremit aufs Schwimmen, Radfahren, Laufen, Schlafen, Essen kochen und leider auch Wäsche waschen konzentrieren konnte. Meine Frau war auch nicht da und ich konnte mich voll auf mich selbst fokussieren. Außerdem war in der ersten Woche mit den ganzen Olympiastartern eine mega geile Atmosphäre. Es war ein Flair, das zusätzlich motiviert.

tri2b.com: Wie nah trainierst du mit intensiven Belastungen auf den Wettkampf hin?
P.L: Wir haben das in den letzten Jahren bei mir immer versucht zu verfeinern, um rauszufinden was am besten für mich funktioniert. Besser performen kann ich am Wettkampftag, wenn ich noch wirklich relativ nah an den Wettkampf ran trainiere. Sprich die letzte Kerneinheit mit einer langen Radeinheit und einem harten Lauf wäre dann am Sonntag oder Montag, also mit ca. einer Woche Abstand zum Raceday. Fünf bis sechs Tage Tapering reichen mir aus. Wir haben das zum Beispiel in Hawaii 2022 gesehen. Da hatte ich so circa 12 - 13 Tage Tapering angesetzt und das war einfach zu viel. Da war ich wirklich ein bisschen zu sehr runtergefahren.

tri2b.com:
Wie lange dauert so eine finale lange Radeinheit bei dir?
P.L: Eine Woche vor dem Rennen so vier bis viereinhalb Stunden.

tri2b.com: Trotz des umfangreichen Trainings hast du Olympia sicher intensiv mitverfolgt. Was sagst du zum deutschen Olympiagold in der Mixed-Relay.
P.L.: Ja, mega geil. Ich habe mich total gefreut. Ich bin auch hier vor dem Fernseher gestanden und habe gebrüllt. Es war von der ganzen Renndynamik einfach superspannend. Es tut dem Triathlon gut, gerade nach dem ganzen Gerede drumherum. So kam der Triathlon doch noch zu einem würdigen Olympiaabschluss.
Und vor allen Dingen freut es mich für Lisa Tertsch ungemein. Sie kommt aus Darmstadt, ist also auch ein DSW Darmstadt-Gewächs und wird unter anderem von Wolfgang Schweim seit Jahren trainiert, der auch mein Lauftrainer ist. Wolfgang hat somit die größten Events im Triathlon gewonnen, mit meinen Hawaii-Siegen und Lisas Olympiagold.  

tri2b.com: Wie hast du die Diskussion rund um die Wasserqualität der Seine wahrgenommen.
P.L.: Es ging teilweise gar nicht mehr um das Sportliche, sondern nur noch um das Kackawasser. Das muss jetzt im Nachgang unbedingt aufgearbeitet werden bei World Triathlon, den verantwortlichen Organisatoren und beim IOC. Klar waren die Bilder sensationell, mit dem Champs Elysées und dem Eifelturm im Hintergrund. Aber dafür die Gesundheit der Athleten aufs Spiel zu setzen, ist schon äußerst fraglich. Und auch die starke Strömung war ein bisschen wie ein Lotteriespiel. Das ist unpassend für das wichtigste Rennen der Saison, auf dass sich die Athletinnen und Athleten drei Jahre lang seit Tokio 2021 vorbereitet haben.

tri2b.com: In Frankfurt darfst du dich am Sonntag auf eine ausgezeichnete Wasserqualität im Langener Waldsee freuen, was zuletzt die Analysen bestätigten. Wir wünschen dir viel Erfolg für das Rennen am Sonntag!

Galeriebilder vom Frankfurt-Rennen 2019, als Patrick Lange nach der ersten Radrunde einen Reifendefekt beheben musste.