Drafting-Diskussion: DTU muss vielleicht bald Farbe bekennen

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 08.02.2004 um 13:54
Durch die neue Windschattenregel der DTU glauben sich viele Triathleten um sportliche Chancen betrogen. Auf draftathlon.com ist heftiger Protest entflammt ...

Durch die neue Windschattenregel der DTU glauben sich viele Triathleten um sportliche Chancen betrogen. Auf dem eigens geschaffenen Portal draftathlon.com ist heftiger Protest entflammt. Inzwischen haben sich über 500 Veranstalter und Sportler gegen die verkleinerte "Windschattenbox" von 5x2 Metern gewandt, unter ihnen die komplette deutsche Langdistanz-Elite. Die Änderung des Paragraphen 5.2.3 der Sportordnung sei notwendig geworden, nachdem der europäische und der Welt-Dachverband diese Regeländerung bereits eingeführt hatten, sagt DTU-Präsident Dr. Klaus Müller-Ott. Die Umsetzung sei, das hätten alle Bundeskampfrichter einstimmig bestätigt, unproblematisch. "Kampfrichter sicher überfordert" Athleten und Rennorganisatoren sind anderer Meinung: Wenn schon die bisherige Regel eines Mindestabstands zum Hinterrad des Vordermannes von zehn Metern kaum zu kontrollieren gewesen sei, könne die Einhaltung noch geringerer Abstände mit "bloßem Auge" kaum mehr abgeschätzt werden. Die Sportler befürchten Willkürentscheidungen überforderter Kampfrichter, die Veranstalter eine Welle von Protesten nach jedem Zieleinlauf. "Ohrfeige für starke Radler" Auch die von 3athlon.de befragten DTU-Kadersportler, naturgemäß zurückhaltender in ihrer Kritik, stützen das Argument, durch die Halbierung des Mindestabstands sei das Fahren im Windschatten praktisch legitimiert und der Charakter der Sportart ein anderer. Bei Geschwindigkeiten um 40 Stundenkilometer sparen die dicht auffahrenden Verfolger erheblich Kraft, Radspezialisten werden sozusagen "per Gesetz benachteiligt". Der Paragraph sei "eine Ohrfeige für alle guten Radfahrer", findet Normann Stadler in seinem Statement auf draftathlon.com. Der Deutsche Meister über die Mitteldistanz wurde nach einer spektakulären Radflucht auf Hawaii von den starken Läufern einer kraftsparend zusammenarbeitenden Verfolgergruppe abgefangen und fiel noch auf Platz vier zurück. Auch die WTC hatte am 19. Oktober mit der neu eingeführten, so genannten Stagger Rule das Fahren im Windschatten indirekt ermöglicht Ausweitung auf längere Strecken logisch Dass die derzeit nur für die Kurzstrecke und darunter liegende Distanzen geltende DTU-Regel auf lange Sicht auch für Mitteldistanz und Langstrecke gelten soll, wird in keiner der 500 Wortmeldungen bezweifelt. Die Ausweitung scheint nach der Argumentationskette der DTU sogar zwingend, weil sie mit der Übernahme der ITU-Regel eine Irritation "zahlreicher ausländischer Gaststarter" verhindern will. Unterschiedliche Regelwerke für verschiedene Distanzen müssten aber deutsche Breitensportler erst recht verwirren. Hobbysportler besonders gefährdet Deren Sicherheit dürfte durch zunehmendes Gedränge auf den Radstrecken nun zusätzlich gefährdet werden: Viele der Teilnehmer gerade auf kürzeren Distanzen manövrieren ihr Gefährt noch nicht sicher genug, um bei halbierten Fahrabständen plötzlichen Gefahren noch sicher ausweichen zu können. Die Triathlon-spezifische Zeitfahrgeometrie der Rennmaschinen ist dafür auch gar nicht geeignet. Veranstalter machtlos Die Veranstalter können daran wenig ändern. Würden sie, wie erste Impulse durchaus vermuten ließen, in ihrem Rennen weiterhin die alte 10x3 Regel durchsetzen wollen, täten sie dies ohne Genehmigung des Dachverbands und ohne den Einsatz von DTU-Kampfrichtern. Versicherungsrechtliche Probleme, beispielsweise nach Auffahrunfällen auf dem Radkurs, wären nicht absehbar, Anfechtungen des Klassements vorprogrammiert. Der Zündstoff war den Entscheidungsträgern der DTU möglicherweise bewusst. Selten wurde eine Änderung des Regelwerks so zurückhaltend publiziert wie diese wohl tiefgreifendste in der Geschichte des deutschen Triathlon. Der nun aufkommende Massenprotest könnte die Verantwortlichen zwingen, im Konfliktfeld zwischen der ITU und den eigenen Mitgliedern Farbe zu bekennen.